Man könnte fast den Eindruck gewinnen, dass es noch nie so „in“ war, etwas mit den eigenen Händen zu erschaffen. Selbermachen ist Trend, spätestens seit es DIY heißt und ganz viel mit Nachhaltigkeit zu tun hat. In unserer globalisierten Welt scheint es einfach nicht mehr zeitgemäß, einen Pullover made in Bangladesch zu tragen, der selbstgestrickte Norwegerpulli macht doch viel mehr her. Individualität steht gegen die Massenware. In den 90ern noch als völlig ökö abgetan, ist das Werkeln heute Trend. Hätte mir vor 10 Jahren eine Freundin erzählt, dass sie in Ihrer Freizeit strickt, hätte ich wohl nur milde gelächelt und spontan Mitgefühl entwickelt. Erzähle ich heute, dass ich gerne und viel stricke, ernte ich vielleicht mal einen erstaunten Blick, meist jedoch schaue ich in begeisterte Gesichter.
Spaß macht es dann auch gleich noch, wenn man etwas ganz Besonderes mit den eigenen Händen erschaffen kann. Die Wolle durch die Finger gleiten zu spüren oder über ein soeben glatt geschliffenes Stück Holz zu streichen ist ein sinnliches Erlebnis. Ja wirklich! Und es tut einfach gut in unserer schnelllebigen Welt wieder etwas Wertvolles zu besitzen. Etwas, dass Zeit gekostet hat, Können und Herzblut, um zu entstehen. Wichtig dabei: zu perfekt darf es auf gar keinen Fall sein. Soll ja nicht aussehen wie aus der Fabrik, kaufen kann ja jeder. Ein unregelmäßiges Maschenbild, ein bisschen schiefe oder ungleichmäßige Nähte oder der eine oder andere sonstige Makel sind nicht ganz unwichtige Merkmale für das authentische Werkstück. Nun, ich bin ja manchmal eine schlimme Perfektionistin und darauf erpicht, alles möglichst adrett umzusetzen. Gelingt aber meistens nicht. Und warum auch? Warum darf man denn nicht sehen, dass es sich um echte Handarbeit handelt? Das ist heute also ein Plädoyer für das Unperfekte.
Ich muss manchmal wirklich grinsen, wenn ich von Euch Kommentare bekomme, dass alles so perfekt aussieht auf den Bildern. Nun ja, ich drehe natürlich die schönere Seite nach vorne, bevor ich Bilder mache. Ich zupfe hier und da immer noch ein wenig herum, damit es besonders gut aussieht. Vielleicht sollte ich das dann zukünftig sein lassen und auch mal die mehr schlecht als Recht versäuberten Kanten direkt in die Linse drehen… Auch wenn es mir noch so sehr widerstrebt.
Und, wie haltet Ihr es mit der Perfektion?
Wie recht du hast, liebe Tanja!
Natürlich zeigt immer die schöne Seite nach vorn und es wird so lange geschoben und gerückt, bis es perfekt ist. Ich bin auch davon befallen, ich geb’s zu. Und es fällt mir schwer, mal was unperfekt zu lassen. Und wenn es unperfekt aussieht, dann steckt viel Arbeit darin, es genau so aussehen zu lassen
Liebe Grüße und hab ein schönes Wochenende … Frauke
Liebe Tanja, du spricht mir aus der Seele….
Liebe Grüße
Nur mal schnell liebe Grüße aus der Heimat.
Dirk und Heiko
Ja, man will sich und seine Werke gern immer von der schönsten Seite präsentieren , dabei haben gerade die nicht so perfekten Dinge ihren ganz eigenen Reiz und Charme!
So oder so, ich mag alles, was du uns zeigst !
Schönes Wochenende und liebe Grüße
Sabine
Ich kann mit unperfekten Dingen ganz gut leben, bewundere aber Leute, die es so gut schaffen, alles perfekt aussehen zu lassen. Mir ist die Arbeit, die dahinter steckt schlicht und einfach zu viel…
Seitdem ich Kinder habe, kann mich die Perfektion mal 😉
Wobei: Viele Leute denken, dass vieles, was ich mache, irgendwie
perfekt erscheint…
Aber das ist ja einfach immer eine individuele Wahrnehmung.
Mir genügen ganz oft auch 80% – ganz getreu dem Pareto-Prinzip.
Ich weiß, dass selbst wenn du eine schiefe Naht ins Bild halten würdest,
würde ich immer noch noch denken WOW! Denn weniger Perfektionismus macht Menschen auch irgendwie greifbarer 🙂
Herzliche Grüße
Julia
Was für eine schöne Kolumne! Zuerst einmal spricht mir dein Plädoyer für mehr DIY und Unperfektes total aus dem Herzen. Ich finde es toll und gehe mit handgefertigten Dingen auch ganz anders um. Und ja, ich versuche auch auf meinen Fotos genau das zeigen. Natürlich von der schönsten Seite, weil das Auge ja auch Harmonie oder Schönsinn mag. Aber es darf auch gesehen werden, dass ein Kreis aus Stoff gar nicht so leicht akurat auszuschneiden ist oder manchmal finden sich auf meinen Fotos auch Alltagsgegenstände wie ein Lautsprecher oder ein Kabel. Gehört für mich dazu und zeigt, dass ich authentisch bin. Und das wiederum ist mir wichtig, damit meine Leser mir glauben und vertrauen. Deshalb fand ich es auch so toll, dass du in deinem letzten Beitrag mit den bestrickten Vasen im Bad auch erwähnt hast, dass dir das nicht ganz so leicht von der Hand gegangen ist. Wunderbar, mehr davon! Wer ist denn schon perfekt?
Ganz liebe Grüße, Rahel
Hallo Tanja,
Wie schön, dass Du es ansprichst 🙂
Das wirklich etwas Schönes an dieser Zeit, dass das Selbstgemachte in der Gesellschaft langsam wieder wertvoller wird als das Gekaufte. Ein Wandel der Statussymbole, sozusagen 😉
Früher war selbstgemachtes ja eher verpönt, nach dem Motto: „Du hast wohl kein Geld/ich war es Dir nicht wert was ‚Anständiges‘ zu kaufen.“
Wie gut, dass dich das wandelt!!! Aus ökologischen Aspekten und auch weil die Rückbesinnung darauf, dass etwas in das jemand Zeit investiert hat (das begrenzteste und wertvollste Gut das wir haben!) ein Geschenk ist, dass man für kein Geld der Welt kaufen kann.
Wenn sich in solch einem Geschenk schön und praktisch verbinden, dann bin ich persönlich ziemlich glücklich. Es muss auch nicht perfekt sein um schön zu sein. Perfekt kann jede Maschine. Das man sehen kann, dass sich Mühe gegeben wurde und sich Gedanken gemacht wurden was dem Empfänger gefallen könnte, das ist meines Erachtens weitaus wichtiger.
Blogs wie der Deine helfen sicherlich dabei diese Haltung wieder „Gesellschaftsfähig zu machen.
Merci dafür und weiterhin viel Freude daran!
Mica